Gattung | Gemälde |
Material | Öl auf Leinwand |
Maße | 100 x 70 cm |
Signatur | signiert unten Mitte: F |
Forschungsstand
Die Provenienz ist geklärt. Der Gemäldezyklus wurde als NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut (NS-Raubkunst) identifiziert. Der „Tempeltanz der Seele“ ist an die Töchter der früheren Eigentümerin restituiert und anschließend zu einem marktüblichen Preis zurückerworben worden.
Ein Fall von NS-Raubkunst
Am Abend des 30. September 1935 schloss sich Richard Neuhäuser (1882–1935) in der Küche des Geschäftshauses der Gebr. Grumach AG ein. Er war der Direktor des Unternehmens und jüdischer Deutscher. Mit dem Erlass der „Nürnberger Rassengesetze“ waren ihm zwei Wochen zuvor die Bürgerrechte entzogen worden. Die Beziehung zu seiner nichtjüdischen Lebensgefährtin, die er nach dem frühen Tod seiner Frau kennengelernt hatte, war seitdem von einer Haftstrafe bedroht, und willkürliche Übergriffe, auch von Nationalsozialisten aus seiner Belegschaft, waren alltäglich geworden. Aufrufe zum Boykott seines Geschäftes gab es bereits seit 1933.
Richard Neuhäuser hätte Anfang Oktober 1935 nach Südafrika fliehen können, entschied sich aber im letzten Moment dagegen. An diesem Abend klebte er die Fenster und Türen der Betriebsküche ab, stellte das Gas des Ofens an, schrieb eine Warnung an die Tür und war bereit, sein Leben zu beenden. Am nächsten Morgen fand man ihn; er atmete noch, starb aber einen Tag später an den Folgen der Gasvergiftung.
Nach 1900 hatte Richard Neuhäuser in Übersee einen Handel mit Stoffen und Lackarbeiten aus Japan aufgebaut und vertrieb japanische Kunst in Europa. Bei einer Veranstaltung von Louis Grumach (1847–1933) in Berlin lernte er dessen Tochter Meta (1885–1928) kennen. Sie heirateten und bezogen eine großzügige Neubauwohnung am Bayerischen Platz 1.
Für das Musikzimmer, einen Raum mit einer matt goldenen Vertäfelung und schwarz bezogenen Polstermöbeln, beauftragte das Paar den Künstler Fidus mit der Gestaltung. Es entstand der „Tempeltanz der Seele“.
26. August 1910, in einem Brief an Fidus (Hugo Höppener) beschreibt Neuhäuser die Ausstattung des Musikzimmers, in dem der Gemäldezyklus hängen sollte:
Die fünf Motive vom „Tempeltanzes der Seele“
1935 erbte Neuhäusers Tochter Gabriele (1911–1998) den Zyklus. Trotz aller Widerstände und Einschränkungen, denen sie als jüdische Studentin ausgesetzt war, versuchte sie, ihr Studium der Zoologie an der Berliner Universität abzuschließen.
Durch einen Forschungsaufenthalt gelang ihr die Flucht nach Australien. 1938, kurz vor der Ausreise, verkaufte sie den Zyklus „Tempeltanz der Seele“, den sie auf dem Dachboden des Geschäftshauses der Gebr. Gumach AG in der Königstraße eingelagert hatte. Käufer war der Goldschmied Joachim Giesche (1901–1991), ein Fidus-Verehrer, der die Werke aus Platzmangel an den Maler zur Aufbewahrung übergab. Giesche leistete ab August 1939 einen sechsjährigen Militärdienst und war erst nach dem Krieg dazu in der Lage, den „Tempeltanz“ an sich zu nehmen. Von Bielefeld aus verkaufte er die fünf Gemälde 1974 an die in Gründung befindliche Berlinische Galerie.
Lange galt der Zyklus als ein Werk, das Fidus erst am Ende seines Lebens in andere Hände gegeben hatte. 2015 führte eine unscheinbare Notiz auf die Spur der tatsächlichen Provenienz: Fidus hatte auf einer 1947 von Giesche verschickten Postkarte den ursprünglichen Besitzer vermerkt. Damit gelang es, die Töchter von Gabriele Neuhäuser in Australien und den USA ausfindig zu machen und mit der Existenz der für sie nicht mehr nachvollziehbaren Gemälde in Berlin zu überraschen.