Golden waren die berühmten Zwanzigerjahre in Berlin sicher nicht immer. Doch entfalteten sich Kunst und Kultur befreit von der Zensur so glanzvoll wie nie zuvor. In den Bars und Varietés tobte das Nachtleben, und die junge Metropole wurde zum angesagten Treffpunkt der internationalen Kulturszene.
Durch seine geografische Lage war Berlin vor allem für osteuropäische Künstler*innen und Intellektuelle eine wichtige Zwischenstation auf dem Weg von Ost nach West. Viele von ihnen waren politische Emigrant*innen, die aus dem post-revolutionären Russland flohen. Dort war die ungegenständliche Kunst des Konstruktivismus und Suprematismus zunächst gefördert worden. Doch bald musste die radikale Abstraktion einer realistischen Staatskunst weichen. In Berlin fanden Künstler*innen wie Iwan Puni und El Lissitzky aufgeschlossene Kunsthändler*innen. Ein Meilenstein war 1922 die „Erste russische Kunstausstellung“ in der Galerie van Diemen, bei der die Konstruktivist*innen einen großen Auftritt hatten.
Für deutsche Kunstschaffende war die Begegnung mit der osteuropäischen Avantgarde ein inspirierendes Erlebnis. Auch die niederländische De-Stijl-Bewegung übte großen Einfluss aus. Gemeinsam war allen Abstrakten das Bekenntnis zu einer modernen, ungegenständlichen Kunst, die auf elementare Gestaltungsprinzipien abzielte.
So entstanden Werke, deren geometrische Formen, klare Farben und industrielle Materialien die Ästhetik einer neuen Zeit feierten. Angeregt von den revolutionären Ideen aus Russland, sahen sich einige der Künstler*innen als Ingenieur*innen. Ihre Bilder, Fotografien, Bücher, Architekturen und städtebaulichen Konzepte sollten die ganze Gesellschaft durchdringen.