Logo der Berlinischen Galerie
Rückblick

3hd 2024

The Shadows That Linger

Creamcake zeigt das Filmprogramm „Spirit Pictures“

Ankündigungsgrafik: Verschiedene Wesen, zum Teil skelett-artig in leuchtendem Lila oder grün, befinden sich in einem gefliesten Raum mit zwei Sitzsäcke. Auf der rechten Wandseite steht der Titel der 2024-Edition des Festivals.

Ebecho Muslimova, Titelbild 3hd, 2024

© Courtesy of the Artist

Im Rahmen ihres Festivals „3hd 2024: „The Shadows That Linger“ („Die Schatten, die verweilen“) ist Creamcake mit dem Filmprogramm „Spirit Pictures“ zu Gast in der Berlinischen Galerie. Zur Feier seines zehnjährigen Bestehens widmet sich das dreiwöchige Festival dem Unsichtbaren und Unbehaglichen. Um die Vergangenheit aufzuarbeiten und eine bessere Zukunft vorstellbar zu machen, tauchen die ausgewählten Arbeiten in den gespenstischen Raum zwischen Vertrautem und Unbekanntem ein. Das Filmprogramm „Spirit Pictures“ ruft Gespenster von Zeit und Erinnerung herbei. Mittels sozialer und politischer Narrative sowie leibhaftiger und metaphorischer Geister unseres Alltags beleuchten die Arbeiten vielfältige Vergangenheiten. Fünf internationale Künstler*innen lassen uns mit Momentaufnahmen an ihren eigenen Weltanschauungen teilhaben und machen auf die schmerzliche Endlichkeit von Existenzen aufmerksam.

Programm

Abdessamad El Montassir „Galb’Echaouf“ (2021)

Bei der Untersuchung eines Ereignisses, das die Landschaft der Sahara grundlegend veränderte, wurde Abdessamad El Montassir mit dem Schweigen früherer Generationen konfrontiert: Sie sind von einer Geschichte geprägt, die sie nicht erzählen können. Mit „Galb’Echaouf“ (18:42 Min.) lenkt El Montassir unseren Fokus auf die Landschaften, Pflanzen und ihre Poesie. Er ist auf der Suche nach Antworten oder Elementen, die zu einer Rekonstruktion dieser kollektiven Amnesie und ihren Narrationen beitragen könnten. „Galb‘Echaouf“ verbindet wissenschaftliche Forschung mit Poesie, um eine mündlich überlieferte Geschichte zu schaffen, die über Generationen weitergegeben wird. Zugleich gibt er Handlungsmacht an die Pflanzen und unbelebten Wesen, die mit der Welt um uns herum interagieren, sie verändern und beeinflussen.

Cihad Caner „I, The Green Marble; The (Hi)story Of My Witness and Memory” (2020)

Cihad Caners „I, The Green Marble; The (Hi)story Of My Witness and Memory“ (12:59 Min.) ist eine forschungsbasierte Arbeit. Sie verstärkt die Stimmen marginalisierter Figuren aus komplexen, transnationalen Geschichtsnarrativen und fordert dominante Weltanschauungen heraus, indem sie deren Heuchelei entlarvt und die sich verschiebenden Machtverhältnisse der globalen Politik beleuchtet. Eine CGI-animierte Version der berühmten grünen Steinplatte aus Serpentin, die hinter dem Podium der UN-Generalversammlung hängt, spricht Mahnungen an das Publikum aus. Dieser traurige Stein verkörpert siebzig Jahre stummer Zeugenschaft der Reden unzähliger Politiker*innen und Revolutionär*innen, deren Schilderungen für den Stein zu einer einzigen großen Kollektiverfahrung verschwimmen, die nicht vergessen werden will.

Stephanie Comilang „Lumapit Sa Akin, Paraiso (Come to Me Paradise)“ (2016)

Paraiso, ein allsehender Drohnen-Geist, wird jeden Sonntag in das Herz Hong Kongs bestellt, wo sich philippinische Gastarbeiter*innen versammeln, um gemeinsam Zeit zu verbringen. Mit den Worten der Künstlerin: „Der Geist beziehungsweise die Seele in meinem Film heißt Paradise. Sie dient als Vermittlerin zwischen den Frauen und den Orten ihrer Herkunft. Wenn Geister in Filmen dargestellt werden, versuchen sie oft, ihren Weg auf die andere Seite zu finden, und Menschen fungieren als Vermittler*innen, um diesen Übergang zu erleichtern. In meinem Film ist es genau umgekehrt. Paradise ist die Vermittlerin von Botschaften, die die Frauen zurück an ihre Liebsten in der Heimat schicken.“ Indem die Frauen ihren Anspruch auf den öffentlichen Raum erheben, werden in Comilangs Sci-Fi-Doku (25:44 Min.) die sozialen Verflechtungen einer Gegenwart deutlich, die von Arbeitsmigration und moderner Technologie geprägt ist.

April Lin 林森 „TR333“ (2021)

In Zusammenarbeit mit der Ökologin Dr. Nalini Nadkarni entwirft die Künstler*in und Filmemacher*in April Lin 林森 in ihrem spekulativen Dokumentarfilm, der auf Forschungsliteratur zur Klimaresistenz von Pflanzen basiert, eine neue Baumspezies. Ihre Formen und Körperteile sind eine Patchwork-Verschmelzung verschiedener Baumarten. Dieser neue Baum ist eine klimaadaptive Antwort, eine Lebensform, die aus Widerstandsfähigkeit und Hoffnung geboren wurde. Ein den Baum bewohnender Geist teilt seine Erfahrungen mit einem durch Umweltzerstörungen verursachten Generationentrauma. Er fleht uns an, darüber nachzudenken, wie alle Wesen auf dem Planeten miteinander verbunden sind, und unserer kollektiven Verantwortung füreinander nachzukommen. Mit einer Mischung aus 3D-Animationen, Found Footage und einem Score, der auf der Vertonung von Daten basiert, nutzt „TR333“ (10:16 Min.) das Spekulative, um die ökologische Krise neu zu betrachten. Die Arbeit stellt die Frage „Warum ist das wichtig?“ aus einer artenübergreifenden, dezidiert empathischen Perspektive.

Micaela Durand & Daniel Chew „38“ (2021)

Heftige Unterbrechungen aus Sound und Bild zersplittern die Gefühlswelt der 38-jährigen Protagonistin, die eine Obsession mit der Social-Media-Präsenz der jungen Frau entwickelt hat, durch die kürzlich ihre Beziehung zerbrochen ist. „38“ (22:44 Min.) ist der neueste Beitrag in einer Reihe von Kurzfilmen von Durand & Chew. Er untersucht die Verflechtungen von Begierde, Sexualität, Race und Class, wie sie durch unsere hypermediale Realität – eine ablenkende, überfrachtete und lückenlos dokumentierte Realität – gefiltert werden. Durand und Chew hinterfragen die verkörperte Erfahrung unserer hybriden Online-In Real Life (IRL)-Existenz und enthüllen die Dynamiken, die unserer Gegenwart zugrunde liegen; einem nuancierten Wechselspiel aus Sehnen und Sehen, Voyeurismus und dem Verlangen, wahrgenommen zu werden.

Creamcake

Creamcake (CC) ist eine interdisziplinäre Plattform aus Berlin, die die Schnittstellen von elektronischer Musik, zeitgenössischer Kunst und digitalen Technologien untersucht. Jenseits normativer sozialer Strukturen bewegt sich Creamcake in fließenden Denk- und Handlungsprozessen und setzt sich in verschiedenen Projekten mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinander. CC organisiert Performances, Konzerte, Ausstellungen, Symposia, DJ Sets, digitale Projekte und Workshops. Als nomadischer, queerfeministischer Raum, hat CC mit zahlreichen Clubs, Community Spaces und Institutionen zusammen gearbeitet, wie zum Beispiel Berghain, Klosterruine, Wasserspeicher, OHM, Südblock, HAU Hebbel am Ufer oder der Berlinischen Galerie.

IBB-Videoraum

Im IBB-Videoraum werden seit 2011 Künstler*innen präsentiert, die mit zeitbasierten Medien arbeiten. Das Programm umfasst nicht nur etablierte Namen der zeitgenössischen Videokunst, sondern auch junge Positionen, die bisher kaum in Museen zu sehen waren. Ihnen soll in der Berlinischen Galerie ein erster institutioneller Auftritt ermöglicht werden.

Jedes Screening erlaubt eine neue Auseinandersetzung mit Werken, die mediale oder auch politische und soziale Fragestellungen anstoßen. Besonderes Augenmerk liegt dabei darauf, marginalisierten Perspektiven Raum zu geben und Auswirkungen von Machtstrukturen sichtbar zu machen.