Oftmals entwickelt sie ihre Werke aus autobiografischen Erfahrungen, die sie u.a. im Kuwait der 1980er und 1990er Jahre gemacht hat. Im IBB-Videoraum der Berlinischen Galerie sind die beiden Arbeiten „Behind the Sun“ und „Divine Memory“ zu sehen, die eng miteinander verbunden sind. Eine weitere Arbeit, „Diver“, ergänzt das Programm im Virtuellen Videoraum.
Behind the Sun, 2013
„Behind the Sun“ besteht aus Aufnahmen brennender Ölfelder: Als sich die irakischen Truppen nach dem Ende des Zweiten Golfkriegs 1991 aus dem besetzten Kuwait zurückzogen, legten sie an rund 700 Ölquellen Feuer, um den Vormarsch der Alliierten aufzuhalten. Der Anblick der riesigen Brände, die ein komplett zerstörtes Ökosystem zurückließen, verstörte und beeindruckte Al Qadiri als Kind nachhaltig.
Viele Jahre später stößt sie auf die Aufnahmen des Fotografen Adel Al Yousifi, der etwa 25.000 Fotos und Filme der brennenden Ölfelder machte. Al Qadiri verknüpft eine Auswahl dieser VHS-Aufnahmen mit religiösen Monologen aus dem Kuwait Television Archive und referenziert so Werner Herzogs berühmten Film „Lektionen in Finsternis“ (1992). Im Unterschied zu Herzog gibt es bei Al Qadiri jedoch weder eine Vogelperspektive noch eine ausländische Erzählerstimme. Vielmehr geht es der Künstlerin dezidiert um eine Wiederaneignung der Erzählung dieser Ereignisse aus einer kuwaitischen Perspektive. Dabei zeichnet sich „Behind the Sun“ auch durch ein ambivalentes Zusammenspiel von Bild und Ton aus: Die Lobpreisungen der Schöpfung stehen einerseits in krassem Widerspruch zu der Zerstörungskraft des Feuers, andererseits besticht die Arbeit auch durch dessen ungeheure Schönheit.
Divine Memory, 2019
Auch in „Divine Memory“ arbeitet Al Qadiri mit Tonaufzeichnungen aus einem Fernseharchiv der 1990er Jahre. Religiöse Poesie sowie der Soundtrack eines Videospiels werden mit Unterwasser-Aufnahmen von Oktopussen kontrastiert. Es entsteht eine Art Musikvideo, das Naturphänomene zelebriert: Dabei versucht das Werk, in unser angeborenes Gedächtnis als Geschöpfe dieser Welt einzudringen, ein vielleicht vormenschliches genetisches Gedächtnis, um Gefühle der Ehrfurcht und des Staunens über das Sein zu wecken.
Biografie
Monira Al Qadiri ist eine kuwaitische Künstlerin, die 1983 im Senegal geboren wurde. 2010 promovierte sie an der Tokyo University of the Arts zur Ästhetik der Traurigkeit im Nahen Osten in Literatur, Musik, Kunst und religiösen Praktiken. Ihre Arbeiten untersuchen unkonventionelle Gender-Identitäten, Petro-Kulturen und ihre möglichen Zukünfte sowie das Vermächtnis von Korruption. Ihre Arbeiten waren u.a. im Haus der Kunst, München, Kunstverein Göttingen, Gasworks, London, Palais de Tokyo, Paris und MoMA PS1, New York, zu sehen. Sie lebt in Berlin.
IBB-Videoraum
Im IBB-Videoraum werden seit 2011 im monatlichen Wechsel Künstler*innen präsentiert, die mit zeitbasierten Medien arbeiten. Das Programm umfasst nicht nur etablierte Namen der zeitgenössischen Videokunst, sondern auch junge Positionen, die bisher kaum in Museen zu sehen waren.