Als „sachlichste aller europäischen Großstädte“ bezeichnete der Kunstkritiker Paul Westheim das Berlin der 1920er Jahre und beschrieb damit das prägende Lebensgefühl seiner Zeit. Auch in der Kunst entwickelte sich nach dem Ersten Weltkrieg ein nüchterner Stil, der bald als Neue Sachlichkeit bezeichnet wurde.
Die zugehörigen Künstler*innen interessierten sich für die sichtbare Welt und richteten ihren Blick auf das Unspektakuläre, Alltägliche. Stillleben, (Stadt-)Landschaften und Porträts bestimmten die künstlerische Agenda der Neuen Sachlichkeit. Besonders in Berlin schufen ihre Vertreter*innen aber auch Milieustudien aller Art und übten deutliche Kritik an der Gesellschaft. In ihren Gemälden und Zeichnungen zeigten sie Menschen und Gegenstände isoliert voneinander im Raum. Es entstanden Kompositionen mit klarem Bildaufbau und präzisen Personendarstellungen. Allerdings bildete die Neue Sachlichkeit die Lebenswelt der 1920er Jahre nicht einfach ab. Raumdarstellung und Proportionen wurden häufig verzerrt, und auch die Farbgebung entsprach nur selten den realen Motiven. Oft steigerte außerdem ein symbolisch verschlüsselter Hintergrund die Bildaussage.
Die Neue Sachlichkeit war darum nur scheinbar sachlich. Hinter der abgeklärten Haltung von Protagonist*innen wie Otto Dix, George Grosz, Jeanne Mammen und Christian Schad stehen Entfremdung und Krise des modernen Menschen.
Auch die Fotograf*innen der Neuen Sachlichkeit setzten auf eine strenge und objektive Bildsprache. Während das Neue Sehen die Welt auf künstlerische Weise neu erfand, spricht aus den neusachlichen Fotografien der Respekt vor der Realität. Hier wurden die technischen Möglichkeiten des Mediums genutzt, um die Dinge in ihrer Einfachheit und Schönheit darzustellen. Die blühende Zeitschriftenindustrie der 1920er Jahre erhöhte die Nachfrage nach Mode- und Werbefotografie, und der Fotojournalismus entwickelte sich durch Fotograf*innen wie Marianne Brandt, Hannah Höch, Lotte Jacobi, Sasha Stone und Umbo (Otto Umbehr) zu einem eigenen, äußerst populären Genre.
Neues Bauen
Nach dem Ersten Weltkrieg wird Berlin zum Zentrum der modernen Architektur in Europa. Charakteristisch für das Neue Bauen der Weimarer Republik ist der Verzicht auf repräsentative Details. An die Stelle von Säulen, Pilastern und einer kleinteiligen Ornamentik treten kubische Baukörper und klare geometrische Formen. Industriell gefertigte Baustoffe wie Stahl, Glas oder Beton ersetzen Haustein und Stuck. Die Fassaden werden meist horizontal gegliedert mit durchlaufenden Fensterbändern und Gesimsen.
Zu den Protagonisten dieser sachlich-funktionalen Baurichtung in Berlin zählen Ludwig Mies van der Rohe, Martin Wagner, die Gebrüder Luckhardt und Erich Mendelsohn. Ihre neuen Architekturentwürfe wirken stilbildend auf eine ganze Architektengeneration.
Großen Einfluss auf viele Zeitgenossen übt etwa die programmatische Studie für ein Glashochhaus von Mies van der Rohe aus. Erstmals schließt sich hier eine gläserne „Haut“ um die „Knochen“ eines stählernen Tragwerks und erlaubt damit eine weitgehend variable Verwendung aller Hauptnutzflächen. Die lichterfüllte Ästhetik dieser „Haut-und-Knochen“-Architektur erhält durch die Fotografien von Curt Rehbein eine besondere Präsenz.