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Abstraktion als
„Sprache der Freiheit“

Tendenzen in der Kunst um 1950

Gemälde von Fred Thieler, Mischtechnik auf Leinwand, 160 x 315 cm

Fred Thieler, Erzählung für W. Turner, 1962

© VG Bild-Kunst, Bonn 2019

In diesem abstrakten Gemälde dominieren die Farbtöne Beige, Blau und Schwarz. Die Farbe scheint getropft und verlaufen zu sein. Schwarze Flecken treten aus blauen und beigen wolkenartigen Flächen hervor. Links oben dominieren Blautöne, in der Mitte und rechts Schwarz und Beige, an den Rändern sind nur einzelne schwarze Sprenkel auf beigem Grund.

Der Kalte Krieg ergriff um 1950 auch die Kunst. Auf Druck der Sowjetunion setzte sich in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und in den übrigen Ostblock-Staaten der Sozialistische Realismus durch. In Westeuropa und den USA feierte man dagegen die Abstraktion als „Sprache der Freiheit“, so auch in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), und vor allem in West-Berlin.

Fotografie von Fritz Brill, Silbergelatinepapier, 57,9 x 45,6 cm

Fritz Brill, Farbe im Walzstuhl - Hostmann & Steinberg, 1951

© Erbengemeinschaft Fritz Brill

Als „Inselstadt“ inmitten der DDR spielte West-Berlin eine zentrale Rolle in der Entwicklung ungegenständlicher Tendenzen. Kunst sollte nichts mehr abbilden, nichts mehr erzählen und keinen äußeren Vorgaben folgen. Im Mittelpunkt standen Farben, Formen und Prozesse. Die Maler Hann Trier und Fred Thieler gehören zu den bedeutendsten Vertreter*innen dieser Kunst, die sich an Informel und abstraktem Expressionismus orientierte. Insbesondere Thieler experimentierte mit den unterschiedlichsten Techniken, beispielsweise dem Aufkleben von Papier als Collage, die im Anschluss als Décollage teilweise wieder abgerissen wurde. Oder dem „Drip Painting“ nach dem Vorbild des US-Amerikaners Jackson Pollock, bei dem die Farbe nicht mit dem Pinsel auf die Leinwand aufgetragen, sondern getropft oder geschüttet wurde. Im Osten galt eine solche Malerei, die den schöpferischen Akt selbst thematisierte, als „bürgerlicher Formalismus“.

Auch in der Fotografie machten sich viele Künstler*innen auf die Suche nach abstrakten Strukturen und Formen, etwa in Natur- oder Landschaftsaufnahmen. Mit extremen Nahansichten, Experimenten mit Licht und Schatten, Überblendungen oder Montagen fand eine Rückbesinnung auf die Moderne der Fotografie der 1920er Jahre statt. Diese Stilmittel trugen dazu bei, dass die Ausgangsmotive oft nur schwer zu erkennen sind. Nicht die Abbildung eines Gegenstands, sondern die schöpferisch-kreative Sichtweise auf die Welt stand im Vordergrund. Während der Westdeutsche Heinz Hajek-Halke mit seiner ungegenständlichen Fotografie große Anerkennung fand, entsprachen die abstrakten Aufnahmen des Ost-Berliners Fritz Kühn nicht dem offiziellen Fotografieverständnis der DDR.