Leben und Lieben
Hannah Höch wird am 1. November 1889 in Gotha geboren und wächst in einer gut situierten, bürgerlichen Familie auf. Eine Karriere als Künstlerin ist für sie nicht vorgesehen. Erst mit 22 Jahren zieht sie nach Berlin um an der Kunstgewerbeschule Charlottenburg zu studieren: „Die Akademie, die das Ziel meiner Träume gewesen war, wagte ich gar nicht erst zu fordern. Denn – Kunstgewerblerin war immerhin nicht Künstlerin“, schreibt Höch in ihren Lebenserinnerungen.
„Die Akademie, die das Ziel meiner Träume gewesen war, wagte ich gar nicht erst zu fordern. Denn – Kunstgewerblerin war immerhin nicht Künstlerin.“
Hannah Höch
In Berlin lernt Höch 1915 den Künstler Raoul Hausmann kennen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine dramatische Liebesbeziehung. Gemeinsam sind sie ab 1917 im Berliner Dada-Kreis aktiv und rütteln mit ihrer radikalen „Anti-Kunst“ kräftig an bürgerlichen und künstlerischen Konventionen. Ehefrau und Tochter will Hausmann allerdings nicht verlassen. Zweimal lässt Höch eine Abtreibung vornehmen. 1922 trennt sich das Paar.
Ab 1926 lebt Höch mit der niederländischen Schriftstellerin Til Brugmann zusammen, zuerst in Den Haag, dann in Berlin. 1935 gehen die beiden Frauen jedoch getrennte Wege, und das vermutlich nicht nur aus persönlichen Gründen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen ist eine offen homosexuelle Partnerschaft gefährlich.
Isolation und Einsamkeit
Aus dem gleichgeschalteten Kunstbetrieb im Nationalsozialismus zieht sich Höch zurück. 1938 bis 1944 ist sie mit dem 21 Jahre jüngeren Kurt Heinz Matthies verheiratet. Dennoch fühlt sie sich zunehmend isoliert: „Gegen 1937 hatte die radikale Vereinsamung für mich eingesetzt. Auch die allerletzten Freunde gingen nun noch weg und waren auch brieflich nicht mehr zu erreichen. [...] Jeder misstraute jedem. Man sprach also mit niemandem mehr. Man verlernte die Sprache.“
„Gegen 1937 hatte die radikale Vereinsamung für mich eingesetzt. [...] Jeder misstraute jedem. Man sprach also mit niemandem mehr. Man verlernte die Sprache.“
Hannah Höch
Später Ruhm
Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutet für Höch auch als Künstlerin die lang ersehnte Befreiung. Ab 1945 wird ihr Werk häufig ausgestellt und sie erhält zahlreiche Preise und Ehrungen. Forscher*innen aus aller Welt werden auf ihre umfangreiche Sammlung an Dada-Materialien aufmerksam, die Höch in ihrem kleinen Haus in Berlin-Heiligensee über die nationalsozialistische Diktatur hinweg gerettet hat. 1978 stirbt Höch im Alter von 88 Jahren. Eberhard Roters, der Gründungsdirektor der Berlinischen Galerie, kann den schriftlichen Nachlass der Ausnahmekünstlerin für die Sammlung sichern – ein einzigartiger Fundus zur Geschichte des Dadaismus und der Avantgarde des 20. Jahrhunderts.