Ida Luise Krenzlin
Journalistin, Autorin und Redakteurin, Berlin
Was ist das Besondere an der Raumkunst von Geyer-Raack?
Geyer-Raack ist ein Raumgenie, eine Zauberin der gehobenen Raumkultur. Ihre Wandbilder sind der letzte Schrei in den 20er und 30er Jahren. Gerade weil sie sich nicht an Konventionen hält. Mit ihren Wandbildern bricht sie in andere Sphären auf – ganz nach Geschmack der Auftraggeber, vom Konstruktivistischen übers Abstrakte bis hin zum Art decó.
Wer oder was hat sie in ihrem Werk beeinflusst?
Geyer-Raack hat sich vom französischen Art decó und vom Bauhaus beeinflussen, aber nicht vereinnahmen lassen. Sie hat einfach ihr Ding gemacht. Stilsicher, geschmackssicher und immer im Sinn ihrer Auftraggeber.
Wer waren ihre Kolleg*innen?
Geyer-Rack steht beispielhaft für eine erfolgreiche Berliner Ein-Frau-Firma. Ich würde fast sagen, dass sie keine Kolleg*innen hatte. Sie war ihr eigener Chef und hatte ihr ganzes, langes Arbeitsleben ein eigenes Atelier – ohne Angestellte. Sie selbst war auch nie fest angestellt. Ihr Mentor war der Architekt Bruno Paul, mit dem sie häufig zusammen gearbeitet hat. Nach dem Krieg hat sie für Paul Baumgarten das „Hotel am Zoo“ umgebaut. Ruth Hildegard Geyer-Raack war eine Einzelkämpferin.
Warum ist das Werk von Ruth Geyer-Raack heute nur Fachkreisen bekannt?
Meiner Meinung nach sind drei Gründe ausschlaggebend.
1. Sie ist eine Frau. Anders als Männer, werden Frauen prinzipiell leichter vergessen. Es gibt viele erfolgreiche und selbstständige Frauen mit großen Karrieren in der Weimarer Republik, an die sich kaum jemand erinnert.
2. Sie war nicht straight auf der Bauhaus-Linie. Sie hat beides gemacht, Art decó und Bauhaus. Sehr dominant in der Erinnerung sind aber das Werk und die Vertreter des Bauhaus geblieben. Da passt sie nicht rein.
3. Ihr Wirken im Nationalsozialismus. Sie hat sich angepasst und sogar profitiert. Das wurde und wird als „unappetitlich“ empfunden, zumindest aber als heikel. Da schaut man lieber weg und lässt den Fall ganz ruhen. Man müsste sich ja mit der NS-Zeit beschäftigen. Es ist aber auch schwierig. Wie geht man mit dem Werk von NS-Profiteuren um?
Ist eine wissenschaftliche Aufarbeitung ihres Werks heute noch lohnenswert?
Unbedingt. Geyer-Raack ist eine außerordentlich interessante Frau, die Kontakt zu vielen bekannten Künstlern hatte, große Namen wie Bruno Paul, Walter Gropius, Mies van der Rohe. Von ihren Reisen nach Paris weiß man zum Beispiel nicht viel. Was kannte sie vom französischen Art decó? Mit wem hat sie sich in Paris getroffen? Ihr Wirken im NS ist auch noch weitgehend unerforscht, obwohl es in den Archiven genügend Akten gibt. Welchen Auftrag hat sie zum Beispiel im Schloss Wawel ausgeführt?