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Rückblick

Akinbode
Akinbiyi

Being, Seeing, Wandering
Hannah-Höch-Preis 2024

Schwarz-weiß-Fotografie: Im quadratischen Format zeigt die Fotografie mehrere Personen, die vorwiegend mit dem Rücken zur Kamera stehen, während eine junge, weiblich gelesene Person direkt in die Kamera blickt.

Akinbode Akinbiyi, Wedding, Berlin, 2005, Aus der Serie: „African Quarter“, seit den 1990er Jahren

© Akinbode Akinbiyi

Akinbode Akinbiyi (*1946 Oxford, England) erhält den Hannah-Höch-Preis 2024. Mit rund 120 Fotografien aus verschiedenen Serien – darunter zwei, die erstmals in Deutschland zu sehen sind – gibt die Ausstellung in der Berlinischen Galerie Einblicke in das fünf Jahrzehnte umfassende Werk. Die erste museale Einzelpräsentation in Deutschland wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler konzipiert.

Für seine Straßenaufnahmen wandert der international bekannte Fotograf und Autor, der seit 1991 in Berlin lebt und arbeitet, durch die Metropolen dieser Welt. Berlin, Brasília, Durban, Lagos – der Stadtraum ist sein Arbeitsplatz. Ein Ort, den er als „grenzenloses Labyrinth“ empfindet, „ein Irrgarten niemals endender Straßen, in unzählbaren Wegen zusammenfließend“, wie er 2009 formulierte. Akinbiyi fotografiert, was er beobachtet, analog und überwiegend in Schwarz-Weiß. Seine Bilder sind nuancenreiche visuelle Metaphern, die gesellschaftlichen Wandel und soziale Ausgrenzung ebenso thematisieren wie die politischen, sozialen und architekturgeschichtlichen Folgen des Kolonialismus. Mit seinen Aufnahmen transportiert er eine Weltsicht jenseits stereotypisierender und damit diskriminierender Darstellungen.

Akinbode Akinbiyi begreift Fotografie als „eine visuelle Form des Schreibens“. Seine Bilder sind nicht inszeniert, er beobachtet, erwartet und entdeckt vielmehr die glückliche Fügung des Augenblicks vor der Linse seiner analogen Kamera, der Rolleiflex. Diagonalen und wechselnde Perspektiven betonen den Modus des Entstehens, der geprägt ist durch die Bewegung des Fußgängers in der Stadt. Das strenge Quadrat des Mittelformats bietet hier den Rahmen. Die Atmosphäre ist dicht: Energie, Gerüche und Geräusche der Stadt scheinen ebenso visuell eingefangen. Gleichzeitig zeichnen sich seine Fotografien durch eine poetische und thematische Vielschichtigkeit aus; sie laden ein, gelesen zu werden und die verdichteten Ebenen zu ergründen. Aus den entstandenen Einzelaufnahmen wählt er aus und kombiniert sie zu Serien und Langzeitserien, die er teilweise über mehrere Jahrzehnte fortschreibt.

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Serien

In der Berlinischen Galerie werden Werke aus sieben Serien gezeigt.

Die Serie „Photography, Tobacco, Sweets, Condoms, and Other Configurations“ entsteht seit den 1970er Jahren in Streifzügen durch urbane Landschaften weltweit. Akinbiyi fotografiert Automaten, zufällige Arrangements im Stadtraum. Mit dieser Serie reflektiert er auch die Erscheinungsformen und Gebrauchsweisen fotografischer Bilder.

In „Lagos: All Roads“ hält er seit den 1980er Jahren die sozialen Gegensätze in der dynamisch wachsenden Stadt fest und offenbart die bis heute wirksamen Einflüsse kolonialer Strukturen.

Seit den 1980er Jahren am Bar Beach von Lagos fotografiert, zeigen die Bilder aus „Sea Never Dry“ mit Elementen aus dem Christentum verschmolzene Rituale der Yoruba-Religion und das alltägliche Leben an den hoch frequentierten Stränden.

Die Serie „African Quarter“ begann Akinbiyi, kurz nachdem er 1991 nach Berlin gezogen war. Die Arbeiten aus dem „Afrikanischen Viertel“ im Berliner Stadtteil Wedding dokumentieren nicht nur ein Viertel im gesellschaftspolitischen Wandel, sondern auch die Vielfalt kolonial-historischer Einschreibungen sowie den Kampf um die Deutungshoheit im städtischen Raum.

Aus der Serie „Oșogbo“ werden Bilder aus dem Jahr 2016 gezeigt. Etwa alle 10 Jahre fotografiert der Künstler das traditionelle Fest zu Ehren der Göttin Osun in der Nähe der nigerianischen Stadt, das sich in den letzten Jahrzehnten zu einer Touristenattraktion entwickelt hat.

Im Gegensatz zu den Langzeitserien entstand „eThekwini“ 1993 kurz nach der Abschaffung der Apartheid in Südafrika und ist zugleich eine der sozialkritischsten Serien von Akinbiyi. Er fotografiert in der Metropolregion Durban verschiedene Bevölkerungsgruppen einer ungleichen Gesellschaft, in der die Auswirkungen der jahrzehntelangen rassistischen Unterdrückung sichtbar sind.

„Black Spirituality“ umfasst als einzige der präsentierten Serien Arbeiten in Farbe. Mit ihr fokussiert Akinbiyi 2002 auf die identitätsstiftende Rolle der Religion bei der Bewahrung und Veränderung westafrikanischer Kultur in der brasilianischen Diaspora.

Über den Künstler

Akinbode Akinbiyi lebt seit 1991 in Berlin und ist als Fotograf, Autor, Lehrer und Mentor sowie Kurator tätig. Geboren 1946 in Oxford als Kind nigerianischer Eltern, wuchs Akinbiyi in England und in Lagos in Nigeria auf. Nach seinem Studium der Anglistik an der University of Ibadan in Nigeria wollte er zunächst Schriftsteller werden. 1969 begann er an der Lancaster University den Studiengang Englische Literatur und ab 1971 widmete er sich an der Universität Heidelberg der Deutschen Philologie. Autor*innen wie Chinua Achebe, Max Frisch, Bessie Head oder Franz Kafka beeindruckten ihn. Hier bildete er seine Art des „literarischen Sehens“ aus, wie er es 1980 rückblickend nennt.

Mit 26 Jahren begann er zu fotografieren, damals wie heute mit einer analogen Spiegelreflexkamera. 1987 ermöglichte ihm ein Reportage-Stipendium der Wochenzeitschrift Stern, in Dakar, Kano und Lagos zu arbeiten. Veröffentlicht wurden die dabei entstandenen Aufnahmen nicht, trugen aber dazu bei, seine Bekanntheit und Laufbahn als Fotograf weiter aufzubauen. Fotografie sowie das regelmäßige Verfassen essayistischer Texte wurden zu seiner Berufung.

Akinbode Akinbiyi gibt weltweit Workshops, in denen er seine Kenntnisse der fotografischen Praxis vermittelt. Von 2008 bis 2018 unterrichtete er mit Simon Njami, Mark Sealy oder Bisi Silva die Photographers’ Masterclass in verschiedenen afrikanischen Ländern, an der mehr als fünfzig junge Künstler*innen aus Afrika teilnahmen, darunter Mimi Cherono Ng’ok, Lebohang Kganye und Thabiso Sekgala.

Hannah-Höch-Preis

Der Hannah-Höch-Preis wird seit 1996 von der Kulturverwaltung des Berliner Senats für ein herausragendes künstlerisches Lebenswerk verliehen. Ausgezeichnet werden Künstler*innen mit Lebensund Arbeitsschwerpunkt in Berlin, die durch eine kontinuierliche künstlerische Leistung hervorstechen. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert und umfasst eine Ausstellung sowie eine Publikation. Die Auswahl erfolgt durch die Förderkommission Bildende Kunst der Kulturverwaltung des Berliner Senats, in der die Berlinische Galerie, die Stiftung Stadtmuseum Berlin, das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin und der Neue Berliner Kunstverein vertreten sind.

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