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Rückblick

Magyar Modern

Ungarische Kunst in Berlin 1910–1933

Mann steht neben einem Tisch, im Hintergrund großes Fenster mit Blick auf Häuser

Lajos Tihanyi, Großes Interieur mit Selbstbildnis – Mann am Fenster, Detail, 1922

© Urheberrechte am Werk erloschen, Foto: Museum der Bildenden Künste - Ungarische Nationalgalerie, 2022

In der Geschichte der Kunst und Kultur Ungarns spielt Berlin eine besondere Rolle: Bereits vor dem Ersten Weltkrieg nutzten ungarische Künstler*innen die wachsende Metropole als Ausstellungsbühne, um sich einem internationalen Publikum zu präsentieren. Nach einer gescheiterten Revolution 1919 und von reaktionären Kräften aus ihrer Heimat vertrieben, kamen sie an die Spree, wo sie einen Ort kreativer Freiheit fanden. 

Die Berlinische Galerie würdigt mit der Ausstellung „Magyar Modern“ („Ungarische Moderne“) erstmals umfassend den ungarischen Beitrag zur Klassischen Moderne in der deutschen Hauptstadt. Sie erweitert den immer noch westlich ausgerichteten Kanon um die künstlerischen Leistungen Ostmitteleuropas: Das kosmopolitische Berlin der Weimarer Republik war eine prägende Station im Werdegang der mehrheitlich noch jungen Künstler*innen. Zugleich bereicherten sie, als eine der größten ausländischen Künstler*innengruppen, die Berliner Avantgarde ganz wesentlich um neue und progressive Positionen. Dieser wechselseitigen Inspiration setzte der Nationalsozialismus ein Ende – und die einstige Verbundenheit geriet in Vergessenheit. 

Mit rund 200 Gemälden, Grafiken, Skulpturen, Fotografien, Filmen, Theaterentwürfen und Architekturzeichnungen ruft das Museum die engen Verbindungen der ungarischen Künstler*innen zu Berlin wieder in Erinnerung.

Alle Ausstellungstexte liegen in Deutsch und Englisch vor. Broschüren in Großdruck sind in Deutsch vorhanden. Es gibt keine Informationen in Braille.

  • In der Ausstellung gibt es keine Informationen in Leichter Sprache.
  • In der Ausstellung gibt es keine Informationen in Deutscher Gebärdensprache (DGS).
  • Es finden Bildungsangebote in und mit DGS statt.
  • Ein Audioguide bietet Hintergrundinformationen zu ausgewählten Kunstwerken in deutscher und englischer Lautsprache.
  • In der Ausstellung gibt es kein Bodenleitsystem und keine Tastmodelle.
  • Die Ausstellung ist stufenlos zugänglich.
  • Exponate und Ausstellungstexte sind überwiegend im Sitzen einsehbar und lesbar. Vitrinen haben eine Standardhöhe von 78 cm und sind unterfahrbar.
  • Es gibt vereinzelte Sitzgelegenheiten. Rollstühle und tragbare Klapphocker können Sie an der Garderobe kostenfrei entleihen.
  • Es besteht keine Hörverstärkung in Form von Induktionsanlagen und Halsringschleifen.
  • In der Ausstellung sind Kunstwerke zu deren Schutz nur teilweise hell ausgeleuchtet. Die  Ausstellungstexte sind überwiegend visuell kontrastreich gestaltet.

Haben Sie weitere Fragen zu Barrierefreiheit und Zugänglichkeit? Wenden Sie sich gerne an Andreas Krüger per E-Mail oder telefonisch unter: +49 (0)30-789 02-832.

Trailer

Themen der Ausstellung

Hauptwerke ungarischer Kunstgeschichte

In neun Sektionen werden in der Ausstellung kaum bekannte Künstler*innen – alle feste Größen der ungarischen Kunstgeschichte – mit Hauptwerken gezeigt, die sie in ihrer Berliner Zeit geschaffen oder hier ausgestellt haben. Den Auftakt macht die Gruppe „Die Acht“. Mit ihrer an den französischen Fauves geschulten, farbgewaltigen Malerei feierte die moderne Kunst Ungarns 1910 in der Secession ihr Berliner Debüt. In den 1920er Jahren war es dann allen voran Herwarth Walden, der die Innovationskraft ungarischer Künstler*innen erkannte und förderte. Indem er ihnen in seiner Galerie „Der Sturm“ eine europaweit beachtete Plattform bot, erweiterte er zugleich sein Programm: Béla Kádár und Hugó Scheiber verbanden Expressionismus und Futurismus und setzten dabei so unterschiedliche Motive wie die ungarische Puszta und das Berliner Nachtleben ins Bild. Sándor Bortnyik, László Moholy-Nagy und Peter László Péri dagegen verfolgten eine radikale Abstraktion und entwickelten damit den Konstruktivismus entschieden weiter.

Beeindruckende Vielfalt

Auch in vielen anderen Galerien wie den renommierten Kunsthandlungen von Fritz Gurlitt oder Ferdinand Möller, auf der alljährlichen Großen Berliner Kunstausstellung und den Schauen der Akademie der Künste präsentierten sich ungarische Künstler*innen. Ihre Werke erzählen in beeindruckender Vielfalt, wie unterschiedlich die Emigrant*innen Berlin erlebten und in ihrer Kunst verarbeiteten. Die großformatigen Tuschebilder von József Nemes Lampérth erscheinen wie düstere Fieberträume aus der Zeit des Krieges. Lajos Tihanyis Kompositionen mit scharfkantigen Formen und leuchtenden Farbkontrasten nehmen dagegen das Tempo der Stadt in sich auf. Im Kontrast dazu stehen die handgewebten Gobelins Noémi Ferenczys, deren scheinbar lautlose Motivwelten eine harmonische Einheit von Mensch, Arbeit und Natur imaginieren.

Architektur für die Stadt der Moderne

Berlin wurde in den 1920er Jahren maßgeblich von ungarischen Architekt*innen mit- und umgestaltet. Bauten entstanden im Geiste des „Neuen Bauens“ für die Stadt der Moderne und prägen Berlin bis heute. Ihre Urheber sind in Vergessenheit geraten. Fred Forbát entwarf Arbeiterwohnungen in Siemensstadt und Haselhorst sowie das SCC-Stadion. Oskar Kaufmann baute als gefragter Theaterarchitekt ein halbes Dutzend Berliner Bühnen, darunter das Hebbel-Theater, die Volksbühne, das Renaissance-Theater und die Kroll-Oper, für die wiederum László Moholy-Nagy mehrere innovative Bühnenbilder schuf.

Pressefotografie und experimenteller Film

Auch am Aufblühen der Fotografie und des Films hatten Ungar*innen einen erstaunlich großen Anteil. Als sich Berlin in den späten 1920er Jahren zur weltweiten Medienmetropole entwickelte, trugen Éva Besnyő und Martin Munkácsi – letzterer als Hausfotograf der „Berliner Illustrirten Zeitung“ – entscheidend zur modernen Pressefotografie bei. László Moholy-Nagy oder Judit Kárász loteten als wichtige Vertreter*innen des „Neuen Sehens“ die technischen Möglichkeiten des Mediums aus. Ihre spektakulären Aufnahmen des Berliner Funkturms zeigen die Technik-Ikone in steilen Perspektiven, diagonalen Kompositionen und starken Kontrasten. Im Bereich des ungarischen Films reicht das Spektrum von experimentellen Avantgardefilmen bis zu dokumentarischen Sozialstudien. Sie verdeutlichen, wie engagiert Moholy-Nagy und Miklós Bándy in Berlin die Entwicklung des Films vorantrieben.

Das letzte Ausstellungskapitel widmet sich Werken, an denen die zunehmenden Spannungen in der späten Weimarer Gesellschaft abzulesen sind. Mehrere ungarische Künstler*innen organisierten sich in der SPD, KPD oder der linksgerichteten Künstlervereinigung „ASSO“. In bissigen Karikaturen wandten sie sich gegen den immer präsenter werdenden Nationalsozialismus – ehe das Gros von ihnen mit der Machtübernahme Adolf Hitlers erneut zur Emigration gezwungen wurde.

Künstler*innen (Auswahl):

Miklós Bandy, József Bató, Róbert Berény, Aurél Bernáth, Éva Besnyő, Vjera Biller, Mihály Biró, Dezső Bokros Birman, Sándor Bortnyik, Brassaï, Béla Czóbel, Lajos d’Ébneth, Sándor Ék, Jenő Feiks, Béni Ferenczy, Károly Ferenczy, Noémi Ferenczy, Fréd Forbát, Gyula Hincz, Ernő Jeges, Béla Kádár, György Kákai Szabó, Ernő Kállai, Judit Kárász, Lajos Kassák, Oskar Kaufmann, György Kepes, Károly Kernstok, János Mattis Teutsch, László Moholy-Nagy, Martin Munkácsi, József Nemes Lampérth, Gyula Pap, Peter László Péri, Bertalan Pór, József Rippl-Rónai, Hugó Scheiber, Jolán Szilágyi, Lajos Tihanyi, Béla Uitz, Andor Weininger

Die Ausstellung ist eine Kooperation der Berlinischen Galerie mit dem Museum der Bildenden Künste, Budapest – Ungarische Nationalgalerie. Rahmenprogramm in Kooperation mit dem Collegium Hungaricum Berlin.

Die Ausstellung und der Katalog werden ermöglicht durch

Kooperations- und Medienpartner