Anonymität der Masse:
„Aufmarsch der Nullen“

Werner Heldt (1904 – 1954)

Zeichnung von Werner-Heldt, Kohle auf Guarro-Bütten, 47 x 63,3 cm
© Berlinische Galerie / VG Bild-Kunst, Bonn 2019

In Kohle auf Büttenpapier zeigt diese Zeichnung einen Blick über einen großen Platz, an dessen Ende eine Häuserreihe und eine Straßenflucht abgebildet ist. Eine Menschenmasse bevölkert den gesamten Bereich. Aus der Masse ragen schwarze Fahnen und leere Schilder. Die unzähligen Köpfe bestehen aus einförmig aneinandergereihten Nullen.

Beunruhigt beobachtete Werner Heldt (1904 – 1954) seit Ende der 1920er Jahre das Anwachsen politischer Massenbewegungen. Werte wie die (persönliche) Freiheit des Einzelnen sah er bedroht. Als 1933 die Nationalsozialist*innen an die Macht kamen, floh der Künstler ins Exil nach Mallorca. Dort beschäftigte ihn das Thema „Masse“ mit neuer Dringlichkeit. Überliefert sind ein umfangreicher Aufsatz und einige Zeichnungen, zu denen auch dieses Blatt gehört. Der Künstler nannte es „Aufmarsch der Nullen“. Ein weiterer Titel lautet schlicht „Meeting“.

Heldt hat hier eine unüberschaubar große Menschenmenge dargestellt, eingezwängt zwischen den Häuserschluchten einer Großstadt. Der Künstler wählte eine radikal einfache Bildformel: Monoton aneinandergereihte Nullen stehen für die anonyme Gesichtslosigkeit in der Masse. Der Einzelne gibt sich auf und verschwindet. In ihrer lückenlosen Reihung gleichen die Nullen einer elementaren Naturgewalt. Wie ein Strom droht sie alles mit sich zu reißen und zu vernichten.

Meeting (Aufmarsch der Nullen)
1933–35
Zeichnung
Kohle auf Guarro-Bütten
47 x 63,3 cm
Erworben aus Mitteln der Stiftung DKLB und aus Mitteln des Senators für Wissenschaft und Kunst, Berlin 1975

Werner Heldt
(1904 Berlin – 1954 Sant'Angelo, Ischia)

Werner Heldt studierte in Berlin zunächst an der Kunstgewerbeschule und von 1925 bis 1930 an der Hochschule für Bildende Künste. 1930 hielt er sich in Paris auf und lernt Maurice Utrillo kennen. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in Mallorca kehrte er 1936 nach Berlin zurück. Es folgtem Militärdienst und Kriegsgefangenschaft; bereits 1946 stellte er in der Galerie Gerd Rosen und 1947 in der Galerie Bremer aus. 1949/50 war er Mitwirkender im Berliner Künstlerkabarett „Die Badewanne“. In den letzten vier Lebensjahren entstanden kaum mehr als hundert Arbeiten; er war alkoholabhängig, depressiv und häufig krank. Auf Einladung seines Malerfreundes Werner Gilles reiste Heldt 1954 nach Ischia.

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