Diese Traumszene von Paul Goesch (1885 – 1940) wirkt beunruhigend. Ganz allein überquert ein Kind mit seinem Boot einen See. Es steuert auf eine Insel zu, auf der dunkle Bäume schwanken. Beängstigend nah am steilen Ufer stehen zwei schwarz gekleidete Figuren. Rechts schwebt ein weiteres Stück Landschaft nach oben. Dahinter erhebt sich ein riesiges Gesicht, den traurigen Blick auf die Betrachter*innen gerichtet. Ist es ein Gott? Ein Seher, der in die Zukunft blickt? Nur die nackte Frau rechts scheint ihn wahrzunehmen und mit erhobenen Armen zu beschwören.
Als dieses Bild um 1920 entstand litt der gelernte Architekt Goesch bereits unter psychotischen Zuständen. Immer wieder musste er sich in Behandlung begeben, bis er ab 1921 dauerhaft in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wurde. In diesen Jahren füllte er geradezu obsessiv viele hundert Blätter mit seinen Zeichnungen und Aquarellen. 1940 fiel Goesch dem sogenannten Euthanasieprogramm der Nationalsozialist*innen zum Opfer. Sein künstlerischer Nachlass konnte gerettet werden. Fast 300 Werke befinden sich in unserer Grafischen Sammlung.
Ohne Titel
um 1920
Zeichnung
Gouache und Tusche auf Papier
22,4 x 28,5 cm
Schenkung der Erbengemeinschaft aus dem Nachlass des Künstlers, Berlin 1978