Mitte der 1960er Jahre befand sich Georg Baselitz in einem wahren Schaffensrausch. Das Frühjahr 1965 verbrachte der junge Maler als Stipendiat in der Villa Romana, einem deutschen Künstlerhaus in Florenz. Dort entwickelte er eine Werkgruppe von „Helden“. In schneller Folge entstanden knapp 200 Grafiken und rund 60 Gemälde, zu denen auch das Bild „Ein moderner Maler“ gehört. Isoliert, ratlos und verletzlich kauert die massige Figur auf dem Boden. Der Blick ist nach oben gerichtet, die Fingerspitzen graben sich in die die dunkle Erde.
Die drastische Zurschaustellung des Genitals und die Heftigkeit der Malweise provozierten damals Kunstwelt und Öffentlichkeit. Die zerrissene Kleidung lässt auch an eine Soldatenuniform und damit an die unheilvolle deutsche Vergangenheit denken. Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg wurden in der deutschen Nachkriegsgesellschaft weitgehend totgeschwiegen. Dagegen rebellierte eine Generation junger Maler*innen. Aus Protest erhoben sie das Hässliche, Obszöne oder – wie Baselitz – an der Welt scheiternde, widersprüchliche Helden zu zentralen Themen einer neuen figurativen Malerei.
Ein moderner Maler
1966
Öl auf Leinwand
162 x 130 cm
Erworben 1991 aus Mitteln der Stiftung DKLB, Berlin
Georg Baselitz
(*1938 Deutschbaselitz)
Georg Baselitz studierte zunächst in Ost-Berlin, wo er wegen „gesellschaftlichspolitischer Unreife“ der Hochschule verwiesen wird. Ab 1957 setzte er sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in West-Berlin bei Hann Trier fort. 1961/62 verfasste er mit Eugen Schönebeck das 1. und 2. Pandämonische Manifest. 1963 wurden in der ersten Einzelausstellung in der Berliner Galerie Werner&Katz die Bilder „Die große Nacht im Eimer“ und „Nackter Mann“ wegen Obszönität beschlagnahmt. 1978 wurde er Professor an der Staatliche Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Von 1983 bis 1988 und von 1992 bis 2003 lehrte er an der Hochschule der Künste in Berlin. Baselitz wurde 2004 mit dem »Praemium Imperiale« der Japan Art Association ausgezeichnet.