Angelika Nollert

Direktorin, Die Neue Sammlung – The Design Museum, München

 

Was ist das Besondere an der Raumkunst von Geyer-Raack?

Geyer-Raack stattete Räume in Landhäusern, öffentlichen Gebäuden und Passagierschiffen aus. Es waren hochwertige Raumausstattungen für ein gut situiertes Publikum. Geyer-Raack hat die Räume als Gesamtheit verstanden: Möbel, Wandgestaltung und Raumatmosphäre waren ihr gleichermaßen wichtig. Viele ihrer Textilien und Wandgestaltungen zeigen florale Dekore, Pflanzen, Vögel oder exotische Figuren, vielfach in Pastelltönen und erinnern an Aquarellmalerei. Auch ihre abstrakten Dekore sind leicht und harmonisch.


Wer oder was hat sie in ihrem Werk beeinflusst?

Die Moderne des Bauhauses, die Produktionen der Deutschen Werkstätten Hellerau, die Eleganz des Art Déco sowie die zeitgenössische Kunst z.b. des Fauvismus dürften für die Arbeiten von Geyer-Raack prägend gewesen sein.


Wer waren ihre Kolleg*innen?

Durch ihr Studium an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseum, ihrer Teilnahme an den Sommerkursen des Bauhauses Weimars, als Mitglied des Deutschen Werkbunds, als Mitarbeiterin der Deutschen Werkstätten Hellerau, durch ihre Studienaufenthalte in Paris, ihre Zusammenarbeit mit dem Architekten André Sivé, als Mitarbeiterin der Heimgestalter GmBH in Berlin, durch ihre Entwürfe für Firmen wie die DeWeTex (Deutsche Werkstätten Textilgesellschaft) oder die Gebr. Rasch-Tapetenfabrik war Geyer-Raack sehr vernetzt und in ihrer Zeit mit bedeutenden Institutionen verbunden. 
Ihre Zusammenarbeit mit Bruno Paul für Schiffsausstattungen und dass sie als einzige Frau neben Bruno Paul, Le Corbusier und Marcel Breuer auf der Internationalen Raumausstellung IRA 1931 vertreten war und dort auch die künstlerische Gesamtleitung übernahm, spiegelt ihre Bedeutung und ihren Erfolg.


Warum ist das Werk von Ruth Geyer-Raack heute nur Fachkreisen bekannt?

Das Werk von Geyer-Raack ist nur begrenzt publiziert. Gewürdigt wird ihr Arbeiten in Anthologien, aber es gibt keine monographische Darstellung ihrer Person. Charakteristisch für ihr Werk sind vor allem die Raumausstattungen und Wandgestaltungen der 20er und 30er Jahre, die heute nur in Fotografien und seinerzeitigen Fachzeitschriften überliefert sind. Ihre Bedeutung spiegelt sich in einem insgesamt übersichtlichen Konvolut von Textilien, Entwürfen und Möbeln. 


Ist eine wissenschaftliche Aufarbeitung ihres Werks heute noch lohnenswert?

Unbedingt lohnt sich eine wissenschaftliche Aufarbeitung. Geyer-Raack steht für eine emanzipierte und erfolgreiche Gestalterin der Weimarer Republik, die bereits mit 28 Jahren ein eigenes Atelier in Berlin unterhielt und bis in die 1970er Jahre selbstständig gearbeitet hat. Eine Aufarbeitung ihre Oeuvres würde deutlich ihre Bekanntheit stärken und ihr Werk in einen größeren Kontext setzen können.