Eine weitere Auseinandersetzung mit unserem oft zu kurz greifenden Blick auf die Natur und die damit verbundenen Auswirkungen auf historische wie aktuelle politische Diskurse erfolgt durch eine neu entwickelte, raumgreifende Arbeit Bismarcks: Im Zentrum des zentralen Ausstellungsraums stehen eine lebensgroße Giraffe sowie die verkleinerte Version des Bremer Reiterstandbilds von Otto von Bismarck nebeneinander. Beide Figuren wurden in einzelne Glieder zerlegt, wodurch sie dem Kinderspielzeug der Drückfigur ähneln und nur auf den ersten Blick ein intaktes Ganzes formen. Was im Spiel mit Leichtigkeit geschieht, ist hier mit einem mühsamen Prozess verbunden: Immer wieder fallen die Figuren in sich zusammen und richten sich langsam, Stück für Stück wieder auf. Die Arbeit kann als Kommentar zur Debatte um den Umgang mit Denkmälern im öffentlichen Raum verstanden werden. Zudem verbindet der Künstler in diesem Werk seine eigene ambivalente Familiengeschichte mit einer gesellschaftlichen Ideengeschichte, die oft schon im Kindesalter gewaltvolle Stereotype vermittelt.
Im daran anschließenden Ausstellungsraum präsentiert Bismarck eine Videoarbeit, die von BBC-Naturdokumentationen inspiriert wurde. „Geh aus mein Herz!“ zeigt eine Landschaft aus der Vogelperspektive, musikalisch untermalt durch das Kirchenlied „Geh aus, mein Herz, und suche Freud“, das von einem Chor aus Familienmitgliedern des Künstlers gesungen wird. Ist es der Atem der Sänger oder der Blick der Betrachter*innen, der die Natur in Bewegung setzt? Was zunächst wie der Ausschnitt einer besonders pathetischen Naturdokumentation wirken mag, die die „unberührte“ Schweizer Landschaft feiert, offenbart bei genauerem Hinsehen, dass es der Abwind eines Helikopters ist, der die Bewegung verursacht. Erst durch die zerstörerische menschliche Aktion entsteht jene Szenerie, die als besonders beschaulich und bildwürdig aufgefasst und aufgezeichnet wird. Die Arbeit verbildlicht auf ebenso eindrückliche wie hypnotisierende Weise die gefährlichen Folgen des menschlichen Tuns und die Grenzen der eigenen Perspektive.
Im letzten Teil der Ausstellung beschäftigt sich Bismarck mit unserer medial geprägten Wahrnehmung von Landschaft. Die hier gezeigten Werke sind in verschiedenen Konstellationen durch multiple Autorenschaft mit Julian Charrière und Felix Kiessling entstanden. Alle drei Künstler haben am Institut für Raumexperimente bei Olafur Eliasson studiert. Die Mitte des Raums wird durch die Installation „Joe is dead“ dominiert: Auf einem Laufband strauchelt ein sogenanntes Tumbleweed, ein Bodenläufer. Dabei handelt es sich um eine Pflanze, deren Ausbreitungsstrategie darin besteht, vom Wind auf der Bodenoberfläche entlang getrieben zu werden. Tumbleweeds sind zum filmischen Topos geworden und werden häufig als Symbol für die Verlassenheit einer Ort- oder Landschaft eingesetzt. Flankiert wird diese Installation durch „I am Afraid I Must Ask You To Leave“ (2018). Diese Arbeit zeigt die fingierte Sprengung von US-amerikanischen Naturmonumenten. Bismarck und Charrière ließen verschiedene prägnante Felsformationen in Originalgröße nachbauen, zerstörten sie und leakten die Videos so, dass der Eindruck entstand, die Sprengungen fanden tatsächlich in US-Nationalparks statt. Ausgestellt werden nicht nur hochästhetische großformatige Fotografien der Sprengungen, sondern auch Bildschirme, auf denen Fernsehnachrichten zu dem Vorfall sowie Kommentare in Sozialen Netzwerken zu sehen sind. Die Ausstellung schließt so mit der Frage, wie Bedeutungszuweisungen zustande kommen und warum bestimmte Teile der Natur als wertvoller, schöner oder schützenswerter als andere beurteilt werden – und durch wen.