Sympathischer Antiheld:
„Der Dichter
Iwar von Lücken“

Otto Dix (1891 – 1969)

Otto Dix, Der Dichter Iwar von Lücken, 1926
© VG Bild-Kunst, Bonn 2019

Dieses Ölporträt zeigt den Dichter Iwar von Lücken. Er ist hager, hat graues Haar und trägt einen ausgebeulten braunen Anzug. Seine Haltung wirkt verkrampft. Er steht am Fenster eines kargen Dachateliers. Hinter ihm leuchtet draußen der Abendhimmel. Aus einer Bierflasche auf einem Stuhl rechts von ihm ragen zwei zartgelbe Rosen.

Otto Dix (1891–1969) lernte den deutschbaltischen Baron und Lyriker Iwar von Lücken auf einer Dada-Veranstaltung in Dresden kennen. Im Romanischen Café in Berlin, der wichtigsten Kontaktbörse der Bohème, traf er den erfolglosen Poeten wieder.

Dix porträtierte den Dichter im Stil der Neuen Sachlichkeit und präsentiert ihn als sympathischen Antihelden: Im ausgebeulten, zerschlissenen Anzug steht von Lücken am Fenster eines kargen Dachateliers. Verloren und erschöpft wirkt er in dieser tristen Umgebung, die in fade Braun- und Grautöne getaucht ist. Draußen glüht jedoch der Abendhimmel in leuchtenden Farben.

Der Maler zeigt den Poeten als gescheiterten Idealisten – hier die Nöte des Alltags, dort der Reichtum der geistig-dichterischen Existenz. Dieser Gegensatz wird mit den zartgelben Rosen in einer Bierflasche noch einmal aufgegriffen und symbolisch zugespitzt. Das große Bildformat zitiert das traditionelle Herrscherporträt und erklärt den Dichter damit trotz materieller Nöte zum tragisch erhabenen Individuum.

Der Dichter Iwar von Lücken
1926
Öl und Tempera auf Leinwand
226 x 120 cm
Erworben aus Mitteln der Stiftung DKLB, des Bundesministers des Inneren und des Museumsfonds des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, Berlin 1988

Otto Dix
(1891 Gera – 1969 Singen)

Nach einer Lehre als Dekorationsmaler absolvierte Otto Dix sein Studium an der Kunstgewerbeschule und Kunstakademie in Dresden. Er meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst. 1919 war er Mitbegründer der Dresdner Sezession „Gruppe 19“. 1920 nahm Dix an der „Ersten Internationalen Dada-Messe“ in Berlin teil. Für drei Jahre studierte er an der Düsseldorfer Kunstakademie und gehörte zum Kreis um die Kunsthändlerin Johanna Ey („Mutter Ey“). 1924 wurde er Mitglied der Berliner Secession, 1931 der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. Zwischen 1927 und 1933 lehrte er an der Kunstakademie in Dresden. 1937 wurden im Zuge der nationalsozialistischen Aktion „Entartete Kunst“ 260 seiner Werke aus öffentlichen Sammlungen entfernt und größtenteils vernichtet. 1959 wurde Dix das Bundesverdienstkreuz verliehen.

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