Neuanfang und Neuaufbau

Architektur nach 1945 in Ost- und West-Berlin

Zeichnung von Franz Müller, Kreide über Diazotypie auf Papier, 71,2 x 90,5 cm

Franz Müller, Wettbewerbsentwurf Berlin-Pavillon Berlin, Schaubild, 1956

© Foto: Peter Oszvald, Bonn

Auf beigefarbenem Papier ist die filigrane nur leicht kolorierte Skizze eines freistehenden Bauwerkes dargestellt. Oben links der Titel: „BERLIN PAVILLON“. Das rechteckige auf Stelzen errichtete Gebäude steht quer zwischen stilisierten Bäumen, 2 Rampen führen hinauf. Das blau-weiße Dach ist, ähnlich einem Zelt, an den Ecken durch rote Stangen aufgespannt.

Die 1950er Jahre in Berlin – ein Jahrzehnt des Neubeginns. Die Trümmer des Zweiten Weltkriegs waren beseitigt, aber als Leerstellen prägten die Zerstörungen weiterhin das Stadtbild: Zwischen den Gebäuden, die der Krieg verschont hatte, gab es immer wieder sogenannte „Bombenlücken“. Wo ganze Häuserblocks fehlten, lagen große Flächen brach. In den allerwenigsten Fällen entschied man sich für einen Wiederaufbau der Gebäude und Straßenzüge, sondern plante komplett neu. Ost- und West-Berlin kamen dabei zu vollkommen unterschiedlichen Lösungen, die von der Politik bestimmt wurden.

Zeichnung von Sergius Rügenberg, Bleistift auf Transparentpapier

Sergius Ruegenberg, Entwurf für ein Kino in Berlin, Grundriss-Skizze, 1946

Die Nachkriegsarchitektur in der geteilten Stadt wurde im Kalten Krieg zum Ort ideologischer Auseinandersetzungen. Nach der Spaltung in Ost- und Westzone standen die Siegermächte untereinander in Konkurrenz um den ‚richtigen‘ Gesellschaftsentwurf, der sich auch in den neu errichteten Bauten wiederfinden sollte. Für die jungen Staaten Bundesrepublik Deutschland (BRD) und Deutsche Demokratische Republik (DDR) war der Neuaufbau ein wichtiges Mittel, um eine eigene kulturelle Identität zu schaffen und sich voneinander abzugrenzen. Wer konnte den Menschen die besseren Lebensbedingungen bieten?

Im Ostteil der Stadt sollte ein monumentaler, neoklassizistischer Stil das Selbstbewusstsein der jungen DDR repräsentieren. Prachtstraßen wie die Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) wurden von „Arbeiterpalästen“ in einer „nationalen Tradition“ gesäumt. Zu den frühen Repräsentationsbauten in der Hauptstadt der DDR zählte selbstverständlich auch die Sowjetische Botschaft. In West-Berlin griffen die Architekt*innen dagegen häufig auf Ideen des Neuen Bauens der 1920er Jahre zurück. Es entstanden unter anderem die Kongresshalle im Tiergarten und das Hansaviertel, die Leitvorstellungen einer ‚freiheitlichen‘ Architektur und Stadtplanung verkörperten.